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Die spinnen, die Gallier!

Mein Auslandssemester am CNSMDP

Nun wird's ernst - Teil 1: Ich habe mich verliebt (und zwar in das Ondes Martenot)!

Von klingelnden Weckern, dem lieben Geld, ätherischen Klängen, elfenhaften Professorinnen, und weiteren Erlebnissen.

Eine Sache möchte ich gleich zu Beginn anmerken: In den letzten beiden Wochen habe ich mich, neben den in diesem Blogeintrag skizzierten Vorkommnissen, vor allem auch mit einer Sache beschäftigt: Essen! Aber um nicht jeden Blogeintrag mit Berichten von kulinarischen Expeditionen aufzuwerten zu verunstalten, habe ich mich entschlossen in einiger Zeit einen Blogeintrag zu erstellen, in welchem ich meine gesammelten kulinarischen Eindrücke der vergangenen Zeit verarbeiten werde. Gesetztenfalls ich werde dann noch nicht so dick sein, dass meine Hände die Tastatur nicht mehr berühren können. Aber gut, dann hätte ich ja auch ein Problem mit dem Klavierspiel! Bis dahin werde ich in den anderen Blogeinträgen über die Kulinarik schweigen... .

Mittlerweile ist die Schonwoche vorbei, das Semester hat begonnen und das Konservatorium ist bevölkert von zahlreichen übewütigen Franzosen. Damit ich armer Pianist – der in seinem 10 Quadratmeter umfassenden Appartment leider keinen Flügel stehen hat – noch zum Üben komme, klingelt mein Wecker nun jede Nacht um Mitternacht. Verschlafen taste ich dann meist nach meinem Handy, um Überäume zu reservieren. Es ist nämlich so, dass es (wohl erst neuerdings) ein Online-Reservierungssystem namens "MyDiese" gibt, in welchem man genau drei Tage im Voraus Überäume reservieren kann. Bisher klappt das ganz gut: Dank meiner frühzeitigen Planung könnte ich ohne Probleme jeden Tag 6-7h auf meist guten Instrumenten üben. Die Schattenseite ist natürlich, dass ich immer drei Tage im Voraus planen muss. Aber gut, als Instrumentalstudent ist man es ja schon gewohnt, seinen Tagesplan komplett den Übemöglichkeiten unterzuordnen. 

Ganz besonders toll ist hier übrigens auch die Freundlichkeit der Mitarbeiter. Es kam nun schon mehrfach vor, dass ich Räume reserviert hatte, in welchen zum Zeitpunkt meiner Reservierung noch Unterricht stattfand, da die Professoren sich mit der Reservierung vertan hatten. Ausnahmslos entschuldigten sich diese sofort mehrmals, brachen den Unterricht ab und begaben sich auf die Suche nach einem anderen Raum. Einheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Eventuell sind das die Nachwirkungen der französischen Revolution – gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle! In München kamen solche Kollisionen übrigens auch schon mehrfach vor. Hier wurde ich allerdings vom Professor (aka. Raumbesetzer) zunächst freundlich und später unfreundlich gebeten, den Raum – trotz meiner Reservierung – sofort zu verlassen. Auf die Obrigkeit!

Ganz allgemein muss man aber wirklich sagen, dass es hier im Konservatorium sehr viele Überäume mit sehr guten Instrumenten gibt.  Meines Erachtens zeigt sich die Qualität einer Musikhochschule gerade auch an den Übemöglichkeiten. In München kann ich beispielsweise unter der Woche meist nur drei Stunden pro Tag üben, weil die Raumsituation einfach nicht mehr hergibt. Das finde ich sehr unfair, da hierdurch das eigene Spielniveau auch ganz klar von der Wohn- und Einkommenssituation abhängt. Einige sehr gute Münchner Klavierstudenten wohnen beispielsweise noch bei ihren Eltern und haben einen Flügel zur Verfügung auf dem sie zu beliebiger Zeit noch üben können, während andere einen langen Anfahrtsweg zur Hochschule haben und dann nur 3 Stunden Übezeit zur Verfügung gestellt bekommen. 

Jaja, das liebe Geld: Je mehr Geld eine Musikhochschule hat desto besser. Und Paris scheint hier zumindest augenscheinlich sehr gut ausgestattet zu sein. Zwar regnet es im obersten Stockwerk manchmal von der Decke, aber gibt es wirklich sehr viele gute Übeflügel. Man hat sogar manchmal den Eindruck, dass das Konservatorium nicht weiß, was es mit all den Flügeln machen soll und sie notgedrungen an allen Ecken und Enden im Flur lagert (siehe Fotos). Außerdem bekommt hier jeder Student auch eine kostenlose, sehr hochwertig anmutende Metalltrinkflasche und eine Tragetasche mit dem Logo des Konservatoriums. 

Aber nun genug Informalia! Schließlich wollte ich euch ja etwas zu den Unterrichten erzählen.

Als ich die Zusage für Paris bekam, und meine Fächer wählen sollte, sah ich, dass man hier Ondes Martenot im Nebenfach belegen kann. Wer nicht weiß, was ein Ondes Martenot ist, dem sei dieses instruktive Bild (von Gerard Hoffnung) ans Herz gelegt:

 

Das Ondes Martenot (frei übersetzt "Martenot'sche Wellen") sieht von außen ein wenig wie ein außerirdisches Steampunk-Keybord aus, an welches man allerhand seltsam anmutende Lautsprecher anschließen kann. Erfunden wurde es 1928 von Maurice Martenot und war, neben dem Theremin und dem Trautonium, eines der ersten elektronischen Musikinstrumente. Schnell trat es seinen Siegeszug an und wurde von zahlreichen Komponisten – wie Olivier Messiaen, Edgar Varese oder Andre Jolivet – aber auch von Rockbands wie Radiohead verwendet. Besonders prominent ist sein Einsatz in der Turangalîla-Sinfonie von Olivier Messiaen. Falls ihr euch dafür interessiert, wie ein Ondes Martenot klingt, könnt ihr das hier erleben.

Die Einführungsveranstaltung für den Ondes Martenot Kurs sollte am vergangenen Dienstag (15.09.) von 10-15 Uhr stattfinden. Ein wenig wunderte ich mich über den langen Zeitrahmen, doch meiner deutschen Pünktlichkeit entsprechend stand ich um 10 Uhr vor dem entsprechenden Saal, um dann erst einmal 10 min zu warten. Schließlich tauchte die Dozentin auf: Ein dünner Mensch im mittleren Alter mit lustig gefärbten Haaren, elfenhaften Ohren und etwas schüchternem Auftreten. Außer mir hatte sich nur eine andere Studentin eingefunden, und mir dämmerte es langsam, dass man jederzeit zwischen 10 und 15 Uhr hätte vorbeischauen können. Nach ein paar wenigen Formalia, wurde uns schließlich das Instrument erklärt.

Das Instrument besteht aus einer Tastatur, einem unterhalb der Tastatur entlang eines Metalldrahtes aufgehängten Ringes, einem kleinen Kasten mit vielen Schaltern und einem Druckhebel, zwei Pedalen sowie mehreren Lautsprechern. Die Lautstärke reguliert man mithilfe des Druckhebels oder eines der beiden Pedale, während für die Tonhöhe zwei Möglichkeiten existieren, zwischen welchen man mithilfe eines Schalters wechseln kann: Entweder man spielt (einstimmig) auf der Tastatur – wobei bei zwei gleichzeitig gedrückten Tasten der tiefere Ton erklingt – oder man stülpt sich den Ring über den Finger und kann über die Bewegung entlang des Metalldrahtes abstufungsfrei jede Tonhöhe wählen und auch Vibrati und Glissandi spielen. Lautsprecher gibt es vier Stück: Einen "Standard"-Lautsprecher, einen Lautsprecher in welchem der Schall auf ein Tamtam gestrahlt wird, ein Lautsprecher mit eingebauten Federn (die einen Echo-Effekt erzeugen) sowie einen Lautsprecher mit angebrachten Resonanzsaiten. Zwischen den verschiedenen Lautsprechern (sowie der genauen Form des Tonsignals und der gewählten Oktave) kann man mit Schaltern in dem kleinen Kästchen wechseln, wobei hier auch stufenlose Mischungen zwischen den verschiedenen Lautsprechern möglich sind. Besonders lustig ist auch, dass man das Instrument auch stimmen muss, wobei dies über (je nach Bauart) zwei bis drei Rädchen unterhalb der Klaviatur geschieht, mit welchen man den Ring, die Tastatur und die verschiedenen Oktaven unabhängig voneinander stimmen kann. Zuletzt sei noch gesagt, dass man sogar auf den Tasten Vibrato spielen kann, in dem man die beweglich gelagerte Tastatur hin- und herbewegt.

Tatsächlich macht es unfassbar viel Spaß auf diesem Instrument zu spielen. Der Klang ist wunderbar ätherisch und das Instrument reagiert unglaublich feinfühlig auf alles, was man mit ihm macht. Gewissermaßen schließt es für mich – da ich ja hobbymäßig Geige/Bratsche spiele – eine Lücke zwischen meinen beiden Instrumenten: Klavier mit Glissandi und Vibrati! Wundervoll!

 Tatsächlich habe ich mich gleich in dieses Instrument verliebt. Ein großer Vorteil dieses Instruments ist außerdem, dass das Repertoire so überschaubar ist, dass man tatsächlich alles in seiner Lebenszeit spielen könnte! Ein Nachteil ist allerdings, dass es nur sehr wenige Orte gibt, an welchen man lernen kann, wie man dieses Instrument spielt. Wäre ich vielleicht jünger, würde ich am Ende noch ein Drittstudium in Paris dranhängen, man kann hier nämlich Ondes Martenot im Bachelor, Master und in der Meisterklasse (1er, 2ème, 3ème cycle) studieren, und nach meinem eigenen Ondes Martenot-Unterricht erblicke ich auch wöchentlich eine Ondes Martenot Hauptfachstudentin! Leider ist die Beschaffung dieser Instrumente eine sehr teure Angelegenheit: Orignalinstrumente sind wahnsinnig selten und Nachbauten sehr teuer. Aber mal abwarten... :-D.

Aber bevor ich Ondes Martenot studieren könnte, müsste ich erstmal dazu kommen auf diesem Instrument zu üben. Und dies ist dank der raschen Arbeitsweise französischer Verwaltungen gar nicht so einfach. Seit mehreren Wochen warte ich nun schon darauf, dass mein Zugang zum Ondes-Martenot-Raum freigeschaltet wird (und das obwohl die Professorin schon mehrere Mails an die Verwaltung geschrieben hat). Bis es so weit ist, kann ich hier leider auch noch keine Bilder vom Ondes Martenot hochladen. Aber ich werde es nachholen!

 

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Erste Eindrücke vom Konservatorium

Von Bunkeranlagen, französischem Obrigkeitsbewusstsein und einem unerklärlichen Gestank.

Das Pariser Konservatorium liegt am nordwestlichen "Ende" der Stadt direkt am Parc de la Villette (der laut Wikipedia größten Parkanlage von Paris). Die Anreise zum Konservatorium gestaltet sich von meiner Wohnung in Montmartre aus als sehr komfortabel: Einen kleinen Berg hinab, in die U-Bahn-Station hinabsteigen (glücklicherweise nicht die mit den 188 Stufen), mit einer vollen und etwas stickigen U-Bahn fahren, in "Stalingrad" umsteigen und dann nach einigen Haltestellen wieder aussteigen. Besonders erheitert mich auf diesem Weg immer die Durchsage der U-Bahn-Station mit dem Namen "Ourq" (ausgesprochen "Urgh!").

Steigt man dann wieder aus dem Erdreich empor, ist das Konservatorium nicht zu übersehen. Unweit der Pariser Philharmonie erblickt man ein großes, weißes Gebäude mit engen Fenstern und dicken Wänden. Von außen erinnert das Gebäude somit ein wenig an einen Hochbunker, was einem – zusammen mit den Sicherheitsposten am Eingang – stets zu einem behaglichen Gefühl der Sicherheit verhilft, wenn man spätabends noch hinterm Flügel sitzt. Die Umgebung des Konservatoriums ist ... vielfältig und interessant. Südlich finden sich die Straßenzüge des 19. Arrondissements, welches laut mancher Internetseiten zu den gefährlichsten von Paris gehört. Etwas skurril sind hier auch die zahllosen Wegelagerer, welche den Platz vor dem Konservatorium an Wochentagen lautstark belagern (aber an Wochenenden unerklärlicherweise verschwunden sind). Davon abgesehen finden sich hier aber auch viele kleinere Imbissbuden, Supermärkte und Geschäfte. Im Norden des Konservatoriums bildet der bereits erwähnte "Parc de la Villette" mit seiner mondänden Architektur einen etwas merkwürdigen Gegensatz zu den leicht heruntergekommenen Straßen des 19. Arrondissements. Hier findet man unter anderem die Pariser Philharmonie, einen wunderschönen großen Kanal, ein altes Karussel, eine große, beeindruckend schöne Halle aus dem 19. Jahrhundert und sogar ein Open-Air Spiegel-Kabinett. Die Gesamtgestaltung des Parks mutet sehr futuristisch an und lässt einen zunächst vielleicht eher an New York als an Paris denken.

Im Inneren ist das Pariser Konservatorium beeindruckend groß: Es hat insgesamt 4 Obergeschosse, 2 Untergeschosse, einen großen Innenhof, ein Atrium im zweiten Untergeschoss, unzählige Überäume, Unterrichtssäle, Konzertsäle, einen Besuchereingang, eine Cafeteria und zusätzlich noch eine Mensa. Außerdem gibt es auch "geheime" Treppen und Gänge, welche nur für Mitarbeiter zugänglich sind.

Die Einführungsveranstaltung für die Austauschstudenten begann am Montag (06.09.21) um 09:45. Eine sehr angenehme Uhrzeit wie ich finde! Die erste Herausforderung bestand jedoch darin, den Raum zu finden, in welchem die Veranstaltung stattfinden sollte: Es war leider nichts ausgeschildert und die Zeit reichte leider auch nicht aus, um die insgesamt 6 Stockwerke abzuklappern. Doch glücklicherweise war mein Französisch ausreichend gut, um nach dem Weg zu fragen. Im Saal angekommen, hatte ich noch genug Zeit um das aufgebaute "Buffet" zu plündern: Es gab verschiedene französische Gebäcke (Croissants, Pain au Chocolat und Rosinenschnecken), Kaltgetränke und verschiedenste Thermoskannen, welche allesamt falsch beschriftet waren. Als ich mir "Café" in meinen Becher füllen wollte, füllte sich mein Becher mit heißem, zunächst leicht bräunlichem und dann durchsichtigem Wasser. Als sich mein Nachbar widerum einen Tee zubereiten wollte, ergoss sich Kaffee in seinen Becher.

Der Einführungsvortrag war so, wie man ihn sich vorstellt: Sehr freundlich, sehr nett, sehr gut gemeint und ziemlich lang. Besonders interessant war hier die zwanzigminütige Sicherheitseinweisung auf Französisch, welche sehr gut zur bunkerartigen Architektur des Gebäudes passte. Uns wurde erklärt, dass es drei verschiedene Alarmsignale und drei verschiedenfarbige Blinklichter gibt, die bei der jeweiligen Bedrohungslage (Feuer, Anschlag im Gebäude, Anschlag außerhalb des Gebäudes) den jeweiligen Evakuierungsplan einläuten sollen.

Am Ende des Vortrags sollte es noch eine Vorstellungsrunde geben. Hierauf war ich sehr neugierig: Aus welchen Ländern kommen die anderen? Und gibt es vielleicht noch andere Pianisten? Die Vorstellungsrunde hatte gerade angefangen, der dritte Student war gerade dabei sich vorzustellen, als sich folgende Szene abspielte: Die Tür zum Saal öffnete sich, die drei Vortragenden namen schlagartig eine militärisch anmutende Pose ein und einer der Vortragenden rief laut (und ohne auf den sich gerade vorstellenden Studenten zu achten), dass die Direktorin des Konservatoriums den Raum betreten habe. Ich fühlte mich hierbei ein wenig an die Begrüßung eines Generals erinnert. Nachdem die Direktorin ihre kurze Rede gehalten hatte und wieder verschwunden war, wurde die Begrüßungsrunde fortgesetzt. Quintessenz: Einige Deutsche, sehr viele Jazzer und leider kein weiterer Pianist. Einerseits fühlte ich mich natürlich gebauchpinselt, den einzigen Klavierplatz ergattert zu haben. Doch andererseits ist es sehr schade, vorerst keinen anderen Pianisten zum Austausch kennenzulernen!

Natürlich gäbe es hier noch viel mehr zu erzählen: Beispielsweise, dass mein Studentenausweis nur mit einem sehr verzerrten Bild von mir bedruckt ist, oder dass es insgesamt lediglich fünf vegetarische Sandwiches für über 30 Studierende gab. Aber abschließend möchte ich nun nur noch den sehr merkwürdigen und ein wenig ekligen Gestank erwähnen, der das gesamte Konservatorium durchzieht, und von uns Austauschstudenten ausnahmslos wahrgenommen wird, während die Einheimischen auf Nachfrage entgegnen, dass sie nicht wüssten wovon wir reden.

Um den Gestank zu illustrieren: Vor einiger Zeit war ich mal in einem Zimmer, in welchem eine Ratte gestorben ist. So riecht es im gesamten Konservatorium, aber vor allem in der Cafeteria. Über die Ursache hierfür denke ich lieber nicht allzu lange nach.

 

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Auf Tuchfühlung mit Paris

Von einer weltstädtischen Atmosphäre, krassen Museen, und viel, viel asiatischem Essen.

Am Dienstag, den 31.08.2021 sollte es nach Paris gehen. Meine Freundin und ich bestiegen in Würzburg den Zug, der uns zunächst nach Mannheim und dann nach Paris bringen sollte. In Mannheim besuchten wir noch meine Familie (inklusive meiner Oma) und nahmen dann den übervollen Doppelstock-TGV nach Paris.

Die Zugfahrt verlief weitestgehend ereignislos. Wir aßen einen Salat (bzw. Wrap) von Dean&Davids der passenderweise den Namen "Paris" trug und ich las stolz in "Short Stories in French for Beginners" von Olly Richards. Drei Stunden später waren wir in Paris angekommen. 

Dass die Pariser U-Bahn zum Teil sehr alt ist, merkt man spätestens dann, wenn man einen schweren Koffer (der all mein Gepäck für 5 Monate enthielt) vom Gare de l'Est in die U-Bahn bugsieren muss. Zahllose Treppen, die völlig willkührlich zunächst bergab und dann wieder bergauf führen, und enge Gänge illustrieren, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Gedanken an mobilitätseingeschränkte Passagiere aufgewendet wurden. Beispielsweise gibt es auch ganz in der Nähe meiner Wohnung mit Abbesses die tiefstgelegene Station des Pariser U-Bahn-Netzes. Hier führen 188 Treppen an die Oberfläche. Da meine Wohnung selbst auch nochmal um einiges weiter oben am Montmartre liegt und zusätzlich noch im dritten Stock eines Hauses, fluche ich jedes mal, wenn ich in Abbesses ein- oder aussteigen muss. Dies auch, da der Aufzug der U-Bahn-Station immer so voll ist, dass es (zumal in Corona-Zeiten) keine Freude ist, ihn zu benutzen.

Nach kurzer Zeit erreichten wir schließlich das Appartment, welches wir zusätzlich zu meiner Wohnung für fünf Nächte gemietet hatten, da letztere aufgrund ihrer geringen Größe (10 qm) und ihres kleinen Bettes nicht sonderlich gut für zwei Personen geeignet ist. Das Appartment wies einige Vorzüge auf. Es war nicht nur stilvoll eingerichtet und befand sich neben einem netten Restaurant, sondern war auch komplett schallisoliert und beherbergte einen schönen Schimmel-Flügel. Trotz großer Freude über das Klavier nutzten wir es aber kaum, schließlich wollen auch Pianisten mal Urlaub machen.

Nach dem Abendessen in besagtem Restaurant, wobei ich die gesamte Belegschaft mit meinem Französisch erheiterte, fuhren wir zum Eiffelturm, da ich diesen unbedingt und so schnell wie möglich noch sehen wollte. Der Weg von der U-Bahn-Station "Trocadero" zum Eiffelturm war selbst zu so später Stunde (es war bereits nach 11) von zahllosen Souvenirhändlern bevölkert, welche blinkende Eiffeltürme in allen möglichen Größen, Schlüsselanhänger, Hüte, Ratschen und sogar Laserpointer (zum eigenmächtigen Anstrahlen des Eiffelturms) feilboten. Diese Szenerie stimmte mich etwas melancholisch, da der nächtliche Verkauf von Souvenirs für die meisten sicherlich kein Job ist, den sie sich freiwillig aussuchen. Hier offenbarte sich auch abermals eine gewisse "Spaltung" der Pariser Gesellschaft, welche mich sehr nachdenklich stimmt, und auf welche ich an anderer Stelle gesondert eingehen werde.

Der Eiffelturm selbst ist viel, viel, viel größer als ich es erwartet hatte und wirklich ein beeindruckendes Bauwerk. Jedem, der es noch nicht getan hat, lege ich es ans Herz, sich den wirklich sehr informativen Wikipedia-Artikel zum Eiffelturm zu Gemüte zu führen. Hier erfährt man viel über die Erbauungsgeschichte, Pläne zu Abriss und Umgestaltung (wie beispielsweise der Errichtung eines künstlichen Berges inklusive Bergdorf) sowie weitere Anektdoten, wie die Geschichte des Trickbetrügers Victor Lustig, der 1925 den Eiffelturm an einen ahnungslosen Schrotthändler für über eine Millionen Franc "verkaufte". 

In den nächsten Tagen besichtigten wir noch viele weitere Sehenswürdigkeiten, wie die Gräber Chopins und Poulencs auf dem Friedhof Père Lachaise, flanierten durch Parcs und besuchten auch die Kathedrale Notre Dame, in deren Inneren noch immer Roboter mit Aufräumarbeiten beschäftigt waren. Besonders hatten es uns aber die Kunstmuseen angetan, von welchen wir zwei besuchten.

Paris verfügt über eine überwältigende Menge an Kunstmuseen und für unseren gemeinsamen Aufenthalt in Paris suchten wir uns das Musée d'Orsay sowie das "Musée d’art moderne de la Ville de Paris" im Palais Tokyo heraus.

Das Musée d'Orsay befindet sich in einer überwältigend schönen und großen ehemaligen, im Jahr 1900 erbauten Bahnhofshalle, deren schiere Größe auch die Beherbergung größter Dinosaurierskelette erlauben würde. Anstatt dieser sind hier jedoch auf mehreren offenen Zwischenetagen Bilder, große Skulpturen, Möbel und auch Gebrauchskunst ausgestellt. Besonders interessiert waren wir jedoch an den Ausstellungen zu Impressionismus und Post-Impressionismus, welche sich in den oberen, an die Halle angrenzenden Etagen befanden.

Ich selbst hatte noch nie mit meinen eigenen Augen ein Originalbild von van Gogh erblicken dürfen, und ein erster Blick auf "La nuit etoilée" machte mich sprachlos. Diese Farben! Die Farben waren so intensiv und wunderschön, dass ich meinen Blick kaum von diesem Bild losreißen konnte. Zu diesem Zeitpunkt beschloss ich in meiner Zeit in Paris nicht nur so viele Museen wie möglich zu besuchen, sondern auch, das Musée d'Orsay noch viele weitere Male besuchen zu wollen, nur um dieses wunderschöne, hypnotisierende Bild noch viele weitere Male sehen zu dürfen. Von den anderen Künstlern welche hier ausgestellt waren (Renoir, Chagalle, Monet, Signac, ...) beeindruckte uns vor allem noch Odilon Redon, von welchem wir zuvor noch nie gehört hatten. Es waren großformatige, zarte, lichte Bilder von ihm ausgestellt, welche eine lichtdurchflutete, transzendente Traumwelt erschufen.

 

Das "Musée d’art moderne de la Ville de Paris" im Palais Tokyo beeindruckte widerum durch seine intelligente Konzeption und reizarme Stimmung. Alle Bilder waren hier in klug zusammengestellten Ensemblen angerichtet, welche durch die großen hellen Räume ideal zur Geltung kamen.

Ich lernte hier einige, für mich neue, sehr interessante Künstler kennen und besonders beeindruckend war das mit 600 qm einst "größte Gemälde der Welt", welches der Maler Raoul Dufy für die Pariser Weltausstellung im Jahre 1937 malte.

Bemerkenswerterweise war der Eintritt in dieses Museum kostenlos, was wohl auch wirklich einige Leute in das Museum lockte, da es doch sehr gut besucht war. Dies ist vielleicht auch eine interessante Möglichkeit, um Menschen für moderne Kunstformen zu begeistern. Vielleicht wären ja auch mehr Menschen an Neuer Musik interessierte, wenn der Eintritt zu einschlägigen Konzertreihen kostenlos wäre?

Zuletzt möchte ich noch auf einige, für mich besonders wichtige Sehens- (bzw. Schmeckens-)würdigkeiten eingehen. Das Essen in Paris ist nämlich grandios und vor allem japanisch kann man hier (wohl dank einer sehr großen japanischen Community) sehr authentisch und gut essen. Wir besuchten beispielsweise "Kodawari Ramen" (welches auch im Michelin Guide gelistet ist) und aßen hier in charmanter Atmossphäre fantastische Ramen-Suppen.

Besonders erwähnenswert ist für mich noch ein Imbiss mit dem Namen Paris Chenna Dosai in der Nähe des Nordbahnhofs. Ich bin ein großer Fan südindischer Dosais (Pfannkuchen aus einem fermentiertem Teig auf Basis von Reis und Hülsenfrüchten), doch bisher haben mich ausnahmslos alle Dosais, welche ich außerhalb Indiens gegessen habe sehr enttäuscht. Hier jedoch nicht! Die Dosais, Chutneys und Vadas (runde, pikant gewürzte "Donuts") schmeckten wie in Indien!

Zuletzt besuchten wir noch ein extrem gutes Sushi-Restaurant. Es war schon lange mein Wunsch einmal auf richtig hohem Niveau Sushi essen zu gehen, und ein kurzer Blick in Restaurantführer genügte, um zu offenbaren, dass man in Paris hierfür an der richtigen Adresse ist. Nach längerer Recherche entschied ich mich hier für eine kleine Sushi-Bar, deren Namen ich nun aus Diskretionsgründen nicht nennen werde. Auch den Preis für das Sushimenü werde ich hier nun nicht nennen, aber eines kann ich sagen: Es war eine phänomenale Erfahrung. In den 1,5 Stunden unseres Aufenthaltes erlebten wir die verschiedensten Geschmacks- und Konsistenznuancen, genossen die reizarme Atmossphäre des Raumes und hatten beim Verlassen des Restaurants den Eindruck, aus einem Traum erwacht zu sein.

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Die Vorbereitungen

Von ersten Spinnereien, unzähligen Aufnahmesessions, einem strengen Französischlehrer und einer freudigen Spaghetti Bolognese

Bereits Anfang 2020 beschloss ich, dass ich im Rahmen meines Klavierstudiums gerne ein Auslandssemester machen würde. Ein wenig bereute ich nämlich, dass ich während meines Physikstudiums nicht ins Ausland ging, wobei der Grund hierfür auch in der Musik zu suchen war, da ein Auslandssemester zur Folge gehabt hätte, dass ich in dieser Zeit sicher keine Klaviertaste gedrückt hätte, was mir in keinster Weise recht gewesen wäre.

Erste Spinnereien ließen mich (aufgrund meiner Liebe zu asiatischem Essen) zunächst an Japan denken, wobei auch Paris von Anfang an sehr weit oben im Kurs stand. Nach einem kurzen Gespräch mit meinem Klavierprofessor war klar, dass Paris meine favorisierte Destination sein sollte.

Die Gründe hierfür sind leicht zu nennen. Seit langem bin ich ein großer Bewunderer der französischen Musiktradition. Neben den "klassischen" Exponenten Debussy und Ravel, hatte es mir hier besonders die französische Nachkriegsavantgarde um Messiaen, Boulez und vor allem Henri Dutilleux angetan. Es erschien mir paradiesisch, in der Stadt leben und arbeiten zu dürfen, in welcher diese Komponisten gewirkt hatten.

Kaum war der Entschluss gefasst, begann ich mit den Vorbereitungen. Ich begann sofort Französischstunden bei einem sehr strengen Privatlehrer ( :D ) zu nehmen und schrieb meine Bewerbungen. Besonders aufwendig waren jedoch die Aufnahmesessions für die "Video-Aufnahmeprüfungen". Mein nicht immer ganz gesunder Perfektionismus führte dazu, dass ich meine Stücke unzählige Male aufnahm. So nahm ich den ersten Satz der Klaviersonate op. 110 von Beethoven über 15 mal auf, für BWV 904 von Bach vereinbarte ich einen zweiten Aufnahmetermin, da ich mit der ersten im Tonstudio der HfMT München entstandenen Aufnahme nicht zufrieden war. Lediglich die Aufnahmen des ersten Satzes der Klaviersonate von Dutilleux verliefen etwas unkomplizierter.

Nachdem die Bewerbungen abgeschickt waren, verfolgte ich aufmerksam die Analytics meiner youtube-Videos, um verdächtige Aktivitäten sofort zu entdecken ;-). Tatsächlich kam es immer wieder zu Peaks in den View-Zahlen, welche ausnahmslos auf die Internetseite des Bewerbungsportals zurückzuführen waren.

Nach mehreren Monaten des Wartens trudelten zunächst positive Antworten meiner anderen beiden Wunschdestinationen (Budapest und Helsinki) ein. An Paris wagte ich zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zu glauben. Eine Bekannte berichtete mir nämlich, dass das Pariser Konservatorium angeblich eine sehr restriktive Platzvergabepolitik fährt: Plätze werden nur vergeben, wenn genau in der selben Klasse zum selben Zeitpunkt auch ein Austauschstudent das Konservatorium verlässt.

Schließlich stand ich eines Tages im Juni in der Küche und kochte eine Spaghetti Bolognese, als inmitten des Kochvorganges eine Mail eintrudelte, welche mir den erhofften Wunschplatz bei meinem Wunschprofessor in Paris versprach. Meine Freude war ungebrochen, sodass mein lauter Freudenschrei bestimmt in den angrenzenden Wohnungen und Häusern gut zu vernehmen war.

Die weiteren Vorbereitungen des Auslandssemesters waren dann wenig spannend, wenn auch etwas lästig...: Wohnungssuche, Suche eines Zwischenmieters für mein Zimmer, Beantragung wichtiger Dokumente, ... . Aber letztendlich war alles schnell und gut erledigt und es sollte nach Paris gehen!

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