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Die spinnen, die Gallier!

Mein Auslandssemester am CNSMDP

Nun wird's ernst - Teil 1: Ich habe mich verliebt (und zwar in das Ondes Martenot)!

Von klingelnden Weckern, dem lieben Geld, ätherischen Klängen, elfenhaften Professorinnen, und weiteren Erlebnissen.

Eine Sache möchte ich gleich zu Beginn anmerken: In den letzten beiden Wochen habe ich mich, neben den in diesem Blogeintrag skizzierten Vorkommnissen, vor allem auch mit einer Sache beschäftigt: Essen! Aber um nicht jeden Blogeintrag mit Berichten von kulinarischen Expeditionen aufzuwerten zu verunstalten, habe ich mich entschlossen in einiger Zeit einen Blogeintrag zu erstellen, in welchem ich meine gesammelten kulinarischen Eindrücke der vergangenen Zeit verarbeiten werde. Gesetztenfalls ich werde dann noch nicht so dick sein, dass meine Hände die Tastatur nicht mehr berühren können. Aber gut, dann hätte ich ja auch ein Problem mit dem Klavierspiel! Bis dahin werde ich in den anderen Blogeinträgen über die Kulinarik schweigen... .

Mittlerweile ist die Schonwoche vorbei, das Semester hat begonnen und das Konservatorium ist bevölkert von zahlreichen übewütigen Franzosen. Damit ich armer Pianist – der in seinem 10 Quadratmeter umfassenden Appartment leider keinen Flügel stehen hat – noch zum Üben komme, klingelt mein Wecker nun jede Nacht um Mitternacht. Verschlafen taste ich dann meist nach meinem Handy, um Überäume zu reservieren. Es ist nämlich so, dass es (wohl erst neuerdings) ein Online-Reservierungssystem namens "MyDiese" gibt, in welchem man genau drei Tage im Voraus Überäume reservieren kann. Bisher klappt das ganz gut: Dank meiner frühzeitigen Planung könnte ich ohne Probleme jeden Tag 6-7h auf meist guten Instrumenten üben. Die Schattenseite ist natürlich, dass ich immer drei Tage im Voraus planen muss. Aber gut, als Instrumentalstudent ist man es ja schon gewohnt, seinen Tagesplan komplett den Übemöglichkeiten unterzuordnen. 

Ganz besonders toll ist hier übrigens auch die Freundlichkeit der Mitarbeiter. Es kam nun schon mehrfach vor, dass ich Räume reserviert hatte, in welchen zum Zeitpunkt meiner Reservierung noch Unterricht stattfand, da die Professoren sich mit der Reservierung vertan hatten. Ausnahmslos entschuldigten sich diese sofort mehrmals, brachen den Unterricht ab und begaben sich auf die Suche nach einem anderen Raum. Einheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Eventuell sind das die Nachwirkungen der französischen Revolution – gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle! In München kamen solche Kollisionen übrigens auch schon mehrfach vor. Hier wurde ich allerdings vom Professor (aka. Raumbesetzer) zunächst freundlich und später unfreundlich gebeten, den Raum – trotz meiner Reservierung – sofort zu verlassen. Auf die Obrigkeit!

Ganz allgemein muss man aber wirklich sagen, dass es hier im Konservatorium sehr viele Überäume mit sehr guten Instrumenten gibt.  Meines Erachtens zeigt sich die Qualität einer Musikhochschule gerade auch an den Übemöglichkeiten. In München kann ich beispielsweise unter der Woche meist nur drei Stunden pro Tag üben, weil die Raumsituation einfach nicht mehr hergibt. Das finde ich sehr unfair, da hierdurch das eigene Spielniveau auch ganz klar von der Wohn- und Einkommenssituation abhängt. Einige sehr gute Münchner Klavierstudenten wohnen beispielsweise noch bei ihren Eltern und haben einen Flügel zur Verfügung auf dem sie zu beliebiger Zeit noch üben können, während andere einen langen Anfahrtsweg zur Hochschule haben und dann nur 3 Stunden Übezeit zur Verfügung gestellt bekommen. 

Jaja, das liebe Geld: Je mehr Geld eine Musikhochschule hat desto besser. Und Paris scheint hier zumindest augenscheinlich sehr gut ausgestattet zu sein. Zwar regnet es im obersten Stockwerk manchmal von der Decke, aber gibt es wirklich sehr viele gute Übeflügel. Man hat sogar manchmal den Eindruck, dass das Konservatorium nicht weiß, was es mit all den Flügeln machen soll und sie notgedrungen an allen Ecken und Enden im Flur lagert (siehe Fotos). Außerdem bekommt hier jeder Student auch eine kostenlose, sehr hochwertig anmutende Metalltrinkflasche und eine Tragetasche mit dem Logo des Konservatoriums. 

Aber nun genug Informalia! Schließlich wollte ich euch ja etwas zu den Unterrichten erzählen.

Als ich die Zusage für Paris bekam, und meine Fächer wählen sollte, sah ich, dass man hier Ondes Martenot im Nebenfach belegen kann. Wer nicht weiß, was ein Ondes Martenot ist, dem sei dieses instruktive Bild (von Gerard Hoffnung) ans Herz gelegt:

 

Das Ondes Martenot (frei übersetzt "Martenot'sche Wellen") sieht von außen ein wenig wie ein außerirdisches Steampunk-Keybord aus, an welches man allerhand seltsam anmutende Lautsprecher anschließen kann. Erfunden wurde es 1928 von Maurice Martenot und war, neben dem Theremin und dem Trautonium, eines der ersten elektronischen Musikinstrumente. Schnell trat es seinen Siegeszug an und wurde von zahlreichen Komponisten – wie Olivier Messiaen, Edgar Varese oder Andre Jolivet – aber auch von Rockbands wie Radiohead verwendet. Besonders prominent ist sein Einsatz in der Turangalîla-Sinfonie von Olivier Messiaen. Falls ihr euch dafür interessiert, wie ein Ondes Martenot klingt, könnt ihr das hier erleben.

Die Einführungsveranstaltung für den Ondes Martenot Kurs sollte am vergangenen Dienstag (15.09.) von 10-15 Uhr stattfinden. Ein wenig wunderte ich mich über den langen Zeitrahmen, doch meiner deutschen Pünktlichkeit entsprechend stand ich um 10 Uhr vor dem entsprechenden Saal, um dann erst einmal 10 min zu warten. Schließlich tauchte die Dozentin auf: Ein dünner Mensch im mittleren Alter mit lustig gefärbten Haaren, elfenhaften Ohren und etwas schüchternem Auftreten. Außer mir hatte sich nur eine andere Studentin eingefunden, und mir dämmerte es langsam, dass man jederzeit zwischen 10 und 15 Uhr hätte vorbeischauen können. Nach ein paar wenigen Formalia, wurde uns schließlich das Instrument erklärt.

Das Instrument besteht aus einer Tastatur, einem unterhalb der Tastatur entlang eines Metalldrahtes aufgehängten Ringes, einem kleinen Kasten mit vielen Schaltern und einem Druckhebel, zwei Pedalen sowie mehreren Lautsprechern. Die Lautstärke reguliert man mithilfe des Druckhebels oder eines der beiden Pedale, während für die Tonhöhe zwei Möglichkeiten existieren, zwischen welchen man mithilfe eines Schalters wechseln kann: Entweder man spielt (einstimmig) auf der Tastatur – wobei bei zwei gleichzeitig gedrückten Tasten der tiefere Ton erklingt – oder man stülpt sich den Ring über den Finger und kann über die Bewegung entlang des Metalldrahtes abstufungsfrei jede Tonhöhe wählen und auch Vibrati und Glissandi spielen. Lautsprecher gibt es vier Stück: Einen "Standard"-Lautsprecher, einen Lautsprecher in welchem der Schall auf ein Tamtam gestrahlt wird, ein Lautsprecher mit eingebauten Federn (die einen Echo-Effekt erzeugen) sowie einen Lautsprecher mit angebrachten Resonanzsaiten. Zwischen den verschiedenen Lautsprechern (sowie der genauen Form des Tonsignals und der gewählten Oktave) kann man mit Schaltern in dem kleinen Kästchen wechseln, wobei hier auch stufenlose Mischungen zwischen den verschiedenen Lautsprechern möglich sind. Besonders lustig ist auch, dass man das Instrument auch stimmen muss, wobei dies über (je nach Bauart) zwei bis drei Rädchen unterhalb der Klaviatur geschieht, mit welchen man den Ring, die Tastatur und die verschiedenen Oktaven unabhängig voneinander stimmen kann. Zuletzt sei noch gesagt, dass man sogar auf den Tasten Vibrato spielen kann, in dem man die beweglich gelagerte Tastatur hin- und herbewegt.

Tatsächlich macht es unfassbar viel Spaß auf diesem Instrument zu spielen. Der Klang ist wunderbar ätherisch und das Instrument reagiert unglaublich feinfühlig auf alles, was man mit ihm macht. Gewissermaßen schließt es für mich – da ich ja hobbymäßig Geige/Bratsche spiele – eine Lücke zwischen meinen beiden Instrumenten: Klavier mit Glissandi und Vibrati! Wundervoll!

 Tatsächlich habe ich mich gleich in dieses Instrument verliebt. Ein großer Vorteil dieses Instruments ist außerdem, dass das Repertoire so überschaubar ist, dass man tatsächlich alles in seiner Lebenszeit spielen könnte! Ein Nachteil ist allerdings, dass es nur sehr wenige Orte gibt, an welchen man lernen kann, wie man dieses Instrument spielt. Wäre ich vielleicht jünger, würde ich am Ende noch ein Drittstudium in Paris dranhängen, man kann hier nämlich Ondes Martenot im Bachelor, Master und in der Meisterklasse (1er, 2ème, 3ème cycle) studieren, und nach meinem eigenen Ondes Martenot-Unterricht erblicke ich auch wöchentlich eine Ondes Martenot Hauptfachstudentin! Leider ist die Beschaffung dieser Instrumente eine sehr teure Angelegenheit: Orignalinstrumente sind wahnsinnig selten und Nachbauten sehr teuer. Aber mal abwarten... :-D.

Aber bevor ich Ondes Martenot studieren könnte, müsste ich erstmal dazu kommen auf diesem Instrument zu üben. Und dies ist dank der raschen Arbeitsweise französischer Verwaltungen gar nicht so einfach. Seit mehreren Wochen warte ich nun schon darauf, dass mein Zugang zum Ondes-Martenot-Raum freigeschaltet wird (und das obwohl die Professorin schon mehrere Mails an die Verwaltung geschrieben hat). Bis es so weit ist, kann ich hier leider auch noch keine Bilder vom Ondes Martenot hochladen. Aber ich werde es nachholen!

 

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