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Die spinnen, die Gallier!

Mein Auslandssemester am CNSMDP

Erste Eindrücke vom Konservatorium

Von Bunkeranlagen, französischem Obrigkeitsbewusstsein und einem unerklärlichen Gestank.

Das Pariser Konservatorium liegt am nordwestlichen "Ende" der Stadt direkt am Parc de la Villette (der laut Wikipedia größten Parkanlage von Paris). Die Anreise zum Konservatorium gestaltet sich von meiner Wohnung in Montmartre aus als sehr komfortabel: Einen kleinen Berg hinab, in die U-Bahn-Station hinabsteigen (glücklicherweise nicht die mit den 188 Stufen), mit einer vollen und etwas stickigen U-Bahn fahren, in "Stalingrad" umsteigen und dann nach einigen Haltestellen wieder aussteigen. Besonders erheitert mich auf diesem Weg immer die Durchsage der U-Bahn-Station mit dem Namen "Ourq" (ausgesprochen "Urgh!").

Steigt man dann wieder aus dem Erdreich empor, ist das Konservatorium nicht zu übersehen. Unweit der Pariser Philharmonie erblickt man ein großes, weißes Gebäude mit engen Fenstern und dicken Wänden. Von außen erinnert das Gebäude somit ein wenig an einen Hochbunker, was einem – zusammen mit den Sicherheitsposten am Eingang – stets zu einem behaglichen Gefühl der Sicherheit verhilft, wenn man spätabends noch hinterm Flügel sitzt. Die Umgebung des Konservatoriums ist ... vielfältig und interessant. Südlich finden sich die Straßenzüge des 19. Arrondissements, welches laut mancher Internetseiten zu den gefährlichsten von Paris gehört. Etwas skurril sind hier auch die zahllosen Wegelagerer, welche den Platz vor dem Konservatorium an Wochentagen lautstark belagern (aber an Wochenenden unerklärlicherweise verschwunden sind). Davon abgesehen finden sich hier aber auch viele kleinere Imbissbuden, Supermärkte und Geschäfte. Im Norden des Konservatoriums bildet der bereits erwähnte "Parc de la Villette" mit seiner mondänden Architektur einen etwas merkwürdigen Gegensatz zu den leicht heruntergekommenen Straßen des 19. Arrondissements. Hier findet man unter anderem die Pariser Philharmonie, einen wunderschönen großen Kanal, ein altes Karussel, eine große, beeindruckend schöne Halle aus dem 19. Jahrhundert und sogar ein Open-Air Spiegel-Kabinett. Die Gesamtgestaltung des Parks mutet sehr futuristisch an und lässt einen zunächst vielleicht eher an New York als an Paris denken.

Im Inneren ist das Pariser Konservatorium beeindruckend groß: Es hat insgesamt 4 Obergeschosse, 2 Untergeschosse, einen großen Innenhof, ein Atrium im zweiten Untergeschoss, unzählige Überäume, Unterrichtssäle, Konzertsäle, einen Besuchereingang, eine Cafeteria und zusätzlich noch eine Mensa. Außerdem gibt es auch "geheime" Treppen und Gänge, welche nur für Mitarbeiter zugänglich sind.

Die Einführungsveranstaltung für die Austauschstudenten begann am Montag (06.09.21) um 09:45. Eine sehr angenehme Uhrzeit wie ich finde! Die erste Herausforderung bestand jedoch darin, den Raum zu finden, in welchem die Veranstaltung stattfinden sollte: Es war leider nichts ausgeschildert und die Zeit reichte leider auch nicht aus, um die insgesamt 6 Stockwerke abzuklappern. Doch glücklicherweise war mein Französisch ausreichend gut, um nach dem Weg zu fragen. Im Saal angekommen, hatte ich noch genug Zeit um das aufgebaute "Buffet" zu plündern: Es gab verschiedene französische Gebäcke (Croissants, Pain au Chocolat und Rosinenschnecken), Kaltgetränke und verschiedenste Thermoskannen, welche allesamt falsch beschriftet waren. Als ich mir "Café" in meinen Becher füllen wollte, füllte sich mein Becher mit heißem, zunächst leicht bräunlichem und dann durchsichtigem Wasser. Als sich mein Nachbar widerum einen Tee zubereiten wollte, ergoss sich Kaffee in seinen Becher.

Der Einführungsvortrag war so, wie man ihn sich vorstellt: Sehr freundlich, sehr nett, sehr gut gemeint und ziemlich lang. Besonders interessant war hier die zwanzigminütige Sicherheitseinweisung auf Französisch, welche sehr gut zur bunkerartigen Architektur des Gebäudes passte. Uns wurde erklärt, dass es drei verschiedene Alarmsignale und drei verschiedenfarbige Blinklichter gibt, die bei der jeweiligen Bedrohungslage (Feuer, Anschlag im Gebäude, Anschlag außerhalb des Gebäudes) den jeweiligen Evakuierungsplan einläuten sollen.

Am Ende des Vortrags sollte es noch eine Vorstellungsrunde geben. Hierauf war ich sehr neugierig: Aus welchen Ländern kommen die anderen? Und gibt es vielleicht noch andere Pianisten? Die Vorstellungsrunde hatte gerade angefangen, der dritte Student war gerade dabei sich vorzustellen, als sich folgende Szene abspielte: Die Tür zum Saal öffnete sich, die drei Vortragenden namen schlagartig eine militärisch anmutende Pose ein und einer der Vortragenden rief laut (und ohne auf den sich gerade vorstellenden Studenten zu achten), dass die Direktorin des Konservatoriums den Raum betreten habe. Ich fühlte mich hierbei ein wenig an die Begrüßung eines Generals erinnert. Nachdem die Direktorin ihre kurze Rede gehalten hatte und wieder verschwunden war, wurde die Begrüßungsrunde fortgesetzt. Quintessenz: Einige Deutsche, sehr viele Jazzer und leider kein weiterer Pianist. Einerseits fühlte ich mich natürlich gebauchpinselt, den einzigen Klavierplatz ergattert zu haben. Doch andererseits ist es sehr schade, vorerst keinen anderen Pianisten zum Austausch kennenzulernen!

Natürlich gäbe es hier noch viel mehr zu erzählen: Beispielsweise, dass mein Studentenausweis nur mit einem sehr verzerrten Bild von mir bedruckt ist, oder dass es insgesamt lediglich fünf vegetarische Sandwiches für über 30 Studierende gab. Aber abschließend möchte ich nun nur noch den sehr merkwürdigen und ein wenig ekligen Gestank erwähnen, der das gesamte Konservatorium durchzieht, und von uns Austauschstudenten ausnahmslos wahrgenommen wird, während die Einheimischen auf Nachfrage entgegnen, dass sie nicht wüssten wovon wir reden.

Um den Gestank zu illustrieren: Vor einiger Zeit war ich mal in einem Zimmer, in welchem eine Ratte gestorben ist. So riecht es im gesamten Konservatorium, aber vor allem in der Cafeteria. Über die Ursache hierfür denke ich lieber nicht allzu lange nach.

 

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